Auf vielen Straßenkarten aus den Jahren 1934 bis 1936 ist im Bereich zwischen Dessau, Eisenach und dem Hermsdorfer Kreuz eine Verbindungsstrecke in nordöstlicher Richtung zwischen den Strecken Eisenach - Chemnitz und München - Berliner Ring eingezeichnet. Sie zweigt ungefähr bei Weimar von der heutigen BAB A4 ab, geht zwischen Eckartsberga und Bad Kösen hinüber zum Unstruttal und stößt etwa bei Bad Dürrenberg auf die nach Berlin führende heutige BAB A9. Bei dieser Strecke handelt es sich um die ehemals geplante "eigentliche" Verbindung der deutschen Hauptstadt Berlin mit der Stadt Frankfurt/Main. Der Autobahnabschnitt, der heute zur Verbindung des Berliner Raumes mit der hessischen Metropole befahren wird und der jahrzehntelang Transitstrecke durch die DDR war, Herleshausen - Hermsdorfer Kreuz - Dessau, gehört nur indirekt dazu. Karte 1: Standard-Luftbildkarte Zwischen Spree und Saale mit der ursprünglichen Linienführung der RABen im mitteldeutschen Raum Quelle: Luftbildkarte für Kraftfahrer - Deutsche Landschaft - Plan 18, Verlag und Herstellung: F. Bruckmann AG, München, o. Jahrg. (ca. 1935) Zuständig für die Erarbeitung der Streckenvorschläge für das RAB-Gesamtnetz waren die Sektionen der Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen, kurz Gezuvor. Ihre Vorschläge gingen an die Zentrale dieser Gesellschaft in Berlin, wurden dort geprüft, unter Berücksichtigung der Linienvorschläge anderer Sektionen oftmals noch abgeändert und schließlich dem Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, Dr.-Ing. Fritz Todt zur Bestätigung, Einordnung in die Dringlichkeitsstufen und Baufreigabe vorgelegt. Karte 2: Reichsautobahnen im Bau und im Projekt. Auch diese Karte zeigt noch den Streckenverlauf nach dem erste Vorschlag. Quelle: Direktion der Reichsautobahnen; Karte im Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau Für die beschriebene Strecke war die Sektion VI "Mitteldeutschland" der Gezuvor verantwortlich. Ihre Vorschläge sowie die von der Zentrale abgeänderte Streckenführung sind als einer der Vorentwürfe im Abschlussbericht anlässlich der Umwandlung der Gezuvor in die Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsplanung und Raumordnung per 27. Juli 1935 (die gleichfalls dann das Kürzel Gezuvor trug) enthalten. In diesem ca. 140 Seiten umfassenden Dokument heißt es dazu1:
Der nachfolgend wiedergegebenen Kartenausschnitte zeigen den Stand der Planungsarbeiten in den Jahren 1935 und 1936. Die Karte 4 enthält dabei neben den Vorschlägen der Sektion VI auch die von der Zentrale bestätigte neue Linienführung zwischen Dessau und Eisenach. Karte 3: Strecke 82 im Bereich östlich von Großkorbetha mit dem geplanten Autobahndreieck in die Strecke 67 Berlin - München. Quelle: "Streckenpläne", 9 Kartenteile der Linienführung nach den Vorschlägen der Gezuvor, Stand 1. März 1935, gezeichnet von Hermann Rukwied, Leiter der OBR Halle/Saale.
Karte 4a: Die von der Sektion VI vorgeschlagenen Linien und Ergänzungslinien in Mitteldeutschland und die Änderung der Gezuvor-Zentrale. Als Strich-Punkt-Strich sind Wahllinien, als dicker Strich sind die zur Ausführung vorgeschlagenen Linien eingezeichnet. Quelle: Die Planungsarbeiten für die Reichsautobahnen - Zweieinhalb Jahre Gezuvor, Volk und Reich Verlag Berlin, 1937 Wie dem Gezuvor-Linienvorschlag zu entnehmen ist, wurde 1936 eine Südharzautobahn aus dem Raum Dessau in den Raum Göttingen vorgeschlagen. Die Verbindung nach Frankfurt/M. war bis ungefähr Sangerhausen Teil dieser im Nummerierungsschema nach Hauptkostenanschlägen als 'Strecke 71' bezeichneten RAB. Im März 1939 war Baubeginn für die ersten Baulose zwischen Löbejün und Halle-Peißen. Doch kaum begonnen, wurden die Arbeiten bereits im gleichen Jahr wieder eingestellt. Solche Bauprojekte wie der West- und der Ostwall hatten Vorrang bekommen vor zivilen Bauvorhaben. Die Nr. 7 der Zeitschrift "Die Straße" von 1937 enthält eine ausführliche Beschreibung der Strecke Berlin - Frankfurt/M. in dem auf dieser Webseite betrachteten Gebiet3:
Karte 4b: Ausschnitt aus der "Handkarte von Anhalt" des Verlags C. Dünnhaupt (Dessau 1939)
Der Ausschnitt aus der Handkarte zeigt die für den mitteldeutschen Raum vorgeschlagenen Reichsautobahnen: Etwa an der Kreuzung der A9 mit der Eisenbahnlinie Dessau-Bitterfeld sollte die Strecke nach Eisenach abzweigen. Bei Kirchedlau (heute Teil der Gemeinde Mitteledlau) wäre die von Halle kommende A14 auf die Strecke gestoßen. Noch vor Gerbstedt, bei Ihlewitz, hätte die A14 wieder die Bündelungsstrecke in Richtung Magdeburg verlassen. Die als Nordharzautobahn nach Braunschweig führende Strecke wäre bei Gerbstedt von der Bündelungsstrecke abgezweigt. Nunmehr sollte die RAB südwestlich durch das Mansfelder Land und das Thüringer Becken verlaufen, um bei Eisenach auf die A4 zu treffen. Ein bemerkenswerter Bezug zur geplanten RAB-Bündelungsstrecke findet sich im Aufsatz von Robert Meffert "Regelquerschnitte der Reichsautobahnen" (Sign. S017357 des AfASG). Dort heißt es auf Seite 260: "Bei Strecken mit starker Belastung durch Güterverkehr und Fernlastzüge sind gewisse Verkehrsbehinderungen zu beobachten, die von der Zunahme und Dauer der Überholungen herrühren. ... Deshalb dauert die Überholung und die Belegung der Überholungsspur besonders lange, wenn zwei Fernlastzüge beteiligt sind. ... Als Abhilfe ist bei solchen Strecken ein dreispuriger Querschnitt geeignet. Er muss vor allem angewendet werden bei Gemeinschaftsstrecken mehrerer Autobahnen mit starkem Lastverkehr. Gemeinschaftsstrecken, die drei Fahrspuren erhalten, sind zum Beispiel der Münchener Ring, Wien-Wiener Neustadt, Linz-Wels und Könnern-Gerbstedt im Zuge der Autobahnen Dessau-Nordhausen mit Halle-Magdeburg [Hervorh. d. Redaktion]. Nach 1945 war Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt und mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik verschoben sich auch die Schwerpunkte für die Wieder- oder gar Neubelebung von Straßenverkehrswegen. Die ehemals geplante Südharzlinie war nicht mehr erforderlich, für die DDR hatte die Instandsetzung der vom Krieg zerstörten Autobahnen Vorrang. In den 1960er und 1970er Jahre war die Schaffung von Nord-/Südverbindungen wie Berlin - Rostock, Leipzig - Dresden und Halle - Magdeburg von Bedeutung. Seit der Vollendung der Bundesautobahn A38 vom Autobahndreieck Parthenaue östl. von Leipzig (BAB A14) über Merseburg - Dreieck Südharz (BAB A71) zum Dreieck Drammetal südl. von Göttingen (BAB A7) ist der Gedanke einer Südharzautobahn, die so wichtige Städte wie Eisleben, Sangerhausen und Nordhausen an das deutsche Autobahnnetz anschließt, Realität geworden. Bei Fertigstellung der BAB A71 von Sömmerda bis zum AD Südharz und der gegenwärtig mit Baustopp belegten BAB A143 von Halle bis zur BAB A14 hin, könnte der ursprünglich angedachte Plan einer relativ kurzen und damit schnellen Verbindung von Berlin nach Frankfurt/M. doch noch Wirklichkeit werden. Es bedürfte jedoch einer ca. 20 km betragenden Verlängerung der BAB A143 über die BAB A14 hinaus bis zur BAB A9 bei Dessau. |
1 Die Planungsarbeiten für die Reichsautobahnen - Zweieinhalb Jahre Gezuvor, Volk und Reich Verlag Berlin, 1937, S. 33 2 a. a. O., S. 83 3 Siedentop, I. Das Thüringer Becken im Netz der Reichsautobahn, Volk und Reich Verlag Berlin, H. 7 (1937) S. 182
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Schrifttum, Informationen, Karten:
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H. Schneider, Naumburg (Saale), 2011
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Nachtrag: |
H. Schneider, Naumburg (Saale), 3/2015
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